Februar 1987: REININGHAUS rocken einen Kirchenkeller

Im Februar 1987 gaben „Reininghaus“ ihr erstes Konzert. Zu dieser Zeit existierte die Band gerade einmal einige Wochen, hatte auch noch keine DDR-typische „Einstufung“ gemacht. Ohne diese sogenannte „Pappe“ war ein ein öffentlicher Auftritt nicht möglich – Ausnahmen bildeten Kirchen oder private Räume. Der Veranstaltungsort war dann auch ganz typisch der geräumige Untergrund der Michaeliskirche zu Leipzig. Von dieser Veranstaltung existieren keine Tonaufnahmen, aber: Fotos! Und Erinnerungen. Gründungsmitglieder Kai Müller (Schlagzeug) und Kai Reininghaus (Gesang, Gitarre) erzählen über dieses denkwürdige Ereignis.
Die Band Reininghaus Live im Kirchkeller Michaeliskirch Leipzig Februar 1987 (c) Reininghaus

REININGHAUS Live im Kirchenkeller der Michaeliskirche (Leipzig, Februar 1987)

Kai Reininghaus: In einer Kirche ein Rockkonzert zu geben, war für mich neu. Ich kam ja aus einer kleinen Stadt in Thüringen, Konzerte in Kinos oder Theatern hatte ich schon erlebt. Aber Verstärker, Schlagzeug, laute Gitarren u.s.w. in einer Kirche? Da gab es Weihnachten ein Krippenspiel, an das ich mich erinnern konnte. Jedenfalls war ich erstmal skeptisch … Ich war ja auch erst ein paar Monate in Leipzig.
Kai Müller: Der Kirchenkeller in der Michaeliskirche war etwas Besonderes. Da haben schon Ende der 70iger Jahre oppositionelle Gruppen einen Platz gefunden. Friedensgruppen, Umweltgruppen usw. Auch Lesungen fanden statt und später Konzerte. Ich war da in den 80iger Jahren immer mal dort und kannte den Pfarrer. Und so kamen wir auch zu dem Gig.
Robert Gläser (Bass) und Kai Reininghaus (Gesang, Gitarre) auf der kleinen Bühne der Michaeliskirche (Leipzig, Februar 1987)

Robert Gläser (Bass) und Kai Reininghaus (Gesang, Gitarre) auf der kleinen Bühne der Michaeliskirche (Leipzig, Februar 1987)

Kai Reininghaus: Als Band waren wir erst seit ein paar Wochen zusammen. Mit Robert Gläser am Bass hatten wir im Dezember 1986 angefangen und im Januar 1987 kam Frank Heyner dazu (Gitarre). Wir probten viel und irgendwie waren von Anfang an auch andere Leute mit im Proberaum. Freunde und Bekannte von Robert. Auch Johannes Ackner war darunter. Der stieg im April dann als Saxofonist ein. Also, wir haben quasi immer mit Publikum geprobt. Das ist ja gerade bei Bandproben eher ungewöhnlich, Songs entstehen meist im intimen Rahmen. Der Prozess von der Idee zum fertigen Song ist für Zuhörer (manchmal auch für Bandmitglieder) ein eher zäher, man wiederholt und verwirft etc. …
Kai Müller Kirchkeller Leipzig (Reininghaus, Februar 1987)

Kai Müller am Schlagzeug (die gestreifte Hose war in Wirklichkeit schwarz/gelb. Die automatische Nachcolorierung der ursprünglichen s/w Fotos kommt hin und wieder an ihre Grenzen 🙂

Kai Müller: Die Leute waren irgendwie froh, einfach dabei zu sein. Daraus wurde ein richtiger kleiner Fanclub. Ich glaube aber, wenn die Zuhörer sich in die Proben aktiv eingemischt hätten, wäre das nicht lange gut gegangen. In dieser Phase haben wir ja noch so in Richtung New Wave und – heute würde man sagen: Post Punk – gespielt. Also frisch und einfach. Kompliziert wurde es erst später … (lacht)

Kai Reininghaus: Ich glaube, Robert wollte so schnell wie möglich live spielen. Wir hatten uns in musikalischer Hinsicht zu dem Zeitpunkt noch nicht so richtig gefunden. Also, wo sollte es hingehen, sollen es deutsche Texte sein, oder englische … usw. Ein öffentlicher Auftritt war in dieser Phase eigentlich zu früh. Aber klar, irgendwie waren wir dann alle heiß …
Gläser, Reininghaus und Heyner: Reininghaus live im Kirchkeller Michaeliskirche (Leipzig, 1987)

„Reininghaus“ 1987 im Kirchkeller der Michaeliskirche (Leipzig): Gläser, Reininghaus und ganz rechts Frank Heyner (Gitarre).

Kai Müller: Ein Freund von mir hat unsere Sachen vom Proberaum zur Kirche gefahren, mein Schlagzeug und die Gitarrenverstärker. Zum Glück hatte die Kirche eine kleine PA mit Mixer usw. Wir hätten uns sonst was ausleihen müssen, was nicht einfach gewesen wäre und auch Geld gekostet hätte. Und Gage gab es keine. Wir hatten ja auch noch keine Einstufung …

Kai Reininghaus: Die hätten wir in der Kirche eh‘ nicht gebraucht (lacht). Aber zum Thema „Einstufung“ erzählen wir ein anderes Mal mehr. Ich war jedenfalls überrascht, wir geräumig der Ort war … es hieß ja „Keller“. Die Bühne allerdings war winzig. So’ne Nische. Das sieht man gut auf den Fotos.
Reininghaus 1987 live in Leipzig (Kirchenkeller Michaeliskirche)Kai Müller: Ja, und dicht über uns Rohre, an denen Eimer hingen, die eventuelles Tropfwasser auffangen sollten. Das war lustig … Ich war ganz hinten mit meinen Drums und hab eigentlich fast nichts vom Publikum mitbekommen.

Ein Blick ins Publikum beim Reininghaus-Konzert 1987 in der Michaeliskirche: Ganz rechts am Rand kann man u.a. drei Mitglieder einer anderen Leipziger Band erkennen – Neu Rot.

Kai Reininghaus: Und der Laden war ja voll, was mich auch erstaunt hatte. Also, klar, unser „Fanclub“, andere Musiker (zum Beispiel Jörg Stein und Henrik Eiler von NEUROT … siehe Fotos), aber auch jede Menge unbekannte Gesichter. Unser Set war nicht sehr lang, so 35-40 Minuten vielleicht. Alles, was wir eben in der kurzen Zeit an Songs hatten. Manche noch gar nicht fertig, was dann eher in Richtung Session lief. „Boys don’t cry“ von The Cure haben wir gecovert … Aber das war die Ausnahme, wir wollten von Anfang an nur eigene Sachen machen.

Reininghaus Live (1987 Michaeliskirch, Leipzig) mit Robert Gläser und Kai ReininghausKai Müller: Die Leute forderten Zugaben, wollten noch etwas länger ihren Spaß, also haben wir einfach das Set wiederholt … Für’s erste Mal lief es super, ich hab jedenfalls keine negativen Erinnerungen.

Kai Reininghaus: Ich auch nicht. Ich glaube, wir haben da noch Wein reingeschmuggelt – da gab’s nämlich keinen Alkohol. Aber so lange feiern konnten wir gar nicht. Der ganze Kram musste ja wieder zusammengepackt und zurück zum Proberaum gebracht werden. So waren die Zeiten …

PS: Die Fotos sind im Original alle schwarz/weiß und hier teilweise nachcoloriert.