THE REAL DEAL live bei Musik Frontal 1989

Zeitreise: DDR Underground Bands live im Kino Connewitz (Leipzig, 24. Februar 1989)

In einem Kino Rockkonzerte zu geben, war zur damaligen Zeit nicht nur in der ehemaligen DDR keine Seltenheit. So spielten Joy Division ihr einziges Deutschlandkonzert im Kant Kino (Westberlin, 21.01.1980). Leipzig hatte mehrere Lokalitäten zu bieten – das Regina-Kino bspw. und das Kino Connewitz. Letzteres war ab Mitte der 80iger Jahre recht häufig Schauplatz für besondere musikalische Ereignisse – Jazz, Avantgarde und der damalige musikalische DDR Pop-Underground, die sogenannten „anderen“ Bands, fanden hier Auftrittsmöglichkeiten. Als Veranstalter agierte häufig das Jugendklubhaus „A. Hoffmann“, das seinen Sitz in der nicht weit entfernten Steinstraße hatte.
Vor dem Kino Connewitz (Leipzig) im Februar 1989

Kurz vor dem Konzert am Eingang des „Filmtheaters Connewitz“ (Leipzig, Wolfgang-Heinze-Straße) im Februar 1989

Das Klubhaus startete etwa ab 1987 eine Konzertreihe namens „Musik Frontal“, die genau jene erwähnten musikalischen Richtungen dem hungrigen Publikum vorstellte. Als Reininghaus und Müller (plus dem Dicken) mit The Real Deal am 24.02.1989 im Rahmen dieses Events auftraten, war die Veranstaltungsreihe etabliert, ein volles Haus garantiert. Neben originalen Fotos haben wir hier auch Zeitungsartikel für euch aus dem Archiv ausgegraben … und ein Konzertausschnitt (fünf Songs – insgesamt ca.17 Minuten pure Energie!). Zunächst aber einige Erinnerungen 35 Jahre später von den Herren Reininghaus und Müller …
Kai und KaiUnd, wie war’s?

Kai Müller: Ich war ziemlich erkältet, hatte, glaube ich, auch Fieber. Aber dieses Konzert war wichtig, in der Größenordnung passierte ja in Leipzig nicht allzu viel. Außerdem waren wir super eingespielt. Hatten geile Konzerte in Berlin und in der MB (Studentenklub in Leipzig) gehabt.

Kai Reininghaus: Wir hatten unseren Auftritt als 2. Band an dem Abend. Waren quasi von zwei Berliner Bands umklammert (Grins). Das passte perfekt, wir haben so gegen 21.00 Uhr angefangen und da waren die Leute schon in guter Stimmung. Hinderlich war die Kino-Bestuhlung, das waren ja recht enge Reihen. Und sich bewegen oder tanzen so schwierig. Das ging nur im schmalen Bereich zwischen erster Reihe und Bühne.
The Real Deal live im Kino Connewitz (Leipzig) Februar 1989

Kai Müller: Es gab Vorankündigungen in der Leipziger Volkszeitung, wir wussten, dass der Laden ausverkauft war. Es gab auch Plakate in der Stadt. Das war schon aufregend, so im Vorfeld.

Kai Reininghaus: Das Kino (heute UT Connewitz) sah damals noch anders aus. Die Leinwand war viel weiter vorn, so dass die eigentliche Bühne relativ schmal war. Und der Backstage-Raum war direkt hinter der Kinoleinwand, nur so’n Schlauch … Es gab auch einen Rang und da guckten die Leute von oben herunter, irgendwie ungewohnt für uns.
Kai Müller: Das wir da einen Livemitschnitt haben, ist auch nicht selbstverständlich. Die Veranstalterin vom Klubhaus („Arthur Hoffmann“) hatte so einen Minikassettenrekorder von Sony, also einen Walkman, mit dem man über zwei eingebaute Minimikrofone auch Stereo-Aufnahmen machen konnte. Damit hat sie alle Konzerte mitgeschnitten, auch unseres.
The Real Deal live im Kino Connewitz (Leipzig) Februar 1989
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30 Jahre (und ein paar Monate) später sind Müller und Reininghaus übrigens noch einmal an diesem Ort aufgetreten: Anlässlich des Heldenstadt.Anders-Festivals ließen sie am 14.09.2019 THE REAL DEAL kurzzeitig auferstehen (mit Afi Fischel am Bass). Nicht nur der Name hat sich mittlerweile geändert (UT Connewitz), auch das Kino selbst war im Vergleich zu 1989 kaum wiederzuerkennen: Durch einen Rückbau in den ursprünglichen Zustand (das Kino wurde 1912 eröffnet) ist eine ganz besondere Location entstanden. Und die Kinobestuhlung kann man mittlerweile, je nach Veranstaltungsart, einfach ausbauen.
The Real Deal live im UT Connewitz (Leipzig) September 2019 (c) Foto: Uwe Winkler

The Real Deal live im UT Connewitz (Leipzig) September 2019 (c) Foto: Uwe Winkler

Und hier zwei originale Zeitungsauschnitte, die im Rahmen des „Musik Frontal“ Festivals im Februar 1989 in der Leipziger Volkszeitung erschienen. Berichterstattungen über solche Veranstaltungen in den offiziellen, staatlich kontrollierten Medien waren in jenen Jahren selten …

Zeitungsausschnitt1 LVZ Februar 1989

Die Vorankündigung des Konzerts in der Leipziger Volkszeitung (Februar 1989).

Die Konzertkritik in der Leipziger Volkszeitung vom Februar 1989.

Last but NOT least: ein 17 Minuten Ausschnitt (Bootleg!) des Real Deal Konzerts – viel Spaß!

TIPP: Die Musik ist auch auf bandcamp hinterlegt … und zwar hier:

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Februar 1987: REININGHAUS rocken einen Kirchenkeller

Im Februar 1987 gaben „Reininghaus“ ihr erstes Konzert. Zu dieser Zeit existierte die Band gerade einmal einige Wochen, hatte auch noch keine DDR-typische „Einstufung“ gemacht. Ohne diese sogenannte „Pappe“ war ein ein öffentlicher Auftritt nicht möglich – Ausnahmen bildeten Kirchen oder private Räume. Der Veranstaltungsort war dann auch ganz typisch der geräumige Untergrund der Michaeliskirche zu Leipzig. Von dieser Veranstaltung existieren keine Tonaufnahmen, aber: Fotos! Und Erinnerungen. Gründungsmitglieder Kai Müller (Schlagzeug) und Kai Reininghaus (Gesang, Gitarre) erzählen über dieses denkwürdige Ereignis.
Die Band Reininghaus Live im Kirchkeller Michaeliskirch Leipzig Februar 1987 (c) Reininghaus

REININGHAUS Live im Kirchenkeller der Michaeliskirche (Leipzig, Februar 1987)

Kai Reininghaus: In einer Kirche ein Rockkonzert zu geben, war für mich neu. Ich kam ja aus einer kleinen Stadt in Thüringen, Konzerte in Kinos oder Theatern hatte ich schon erlebt. Aber Verstärker, Schlagzeug, laute Gitarren u.s.w. in einer Kirche? Da gab es Weihnachten ein Krippenspiel, an das ich mich erinnern konnte. Jedenfalls war ich erstmal skeptisch … Ich war ja auch erst ein paar Monate in Leipzig.
Kai Müller: Der Kirchenkeller in der Michaeliskirche war etwas Besonderes. Da haben schon Ende der 70iger Jahre oppositionelle Gruppen einen Platz gefunden. Friedensgruppen, Umweltgruppen usw. Auch Lesungen fanden statt und später Konzerte. Ich war da in den 80iger Jahren immer mal dort und kannte den Pfarrer. Und so kamen wir auch zu dem Gig.
Robert Gläser (Bass) und Kai Reininghaus (Gesang, Gitarre) auf der kleinen Bühne der Michaeliskirche (Leipzig, Februar 1987)

Robert Gläser (Bass) und Kai Reininghaus (Gesang, Gitarre) auf der kleinen Bühne der Michaeliskirche (Leipzig, Februar 1987)

Kai Reininghaus: Als Band waren wir erst seit ein paar Wochen zusammen. Mit Robert Gläser am Bass hatten wir im Dezember 1986 angefangen und im Januar 1987 kam Frank Heyner dazu (Gitarre). Wir probten viel und irgendwie waren von Anfang an auch andere Leute mit im Proberaum. Freunde und Bekannte von Robert. Auch Johannes Ackner war darunter. Der stieg im April dann als Saxofonist ein. Also, wir haben quasi immer mit Publikum geprobt. Das ist ja gerade bei Bandproben eher ungewöhnlich, Songs entstehen meist im intimen Rahmen. Der Prozess von der Idee zum fertigen Song ist für Zuhörer (manchmal auch für Bandmitglieder) ein eher zäher, man wiederholt und verwirft etc. …
Kai Müller Kirchkeller Leipzig (Reininghaus, Februar 1987)

Kai Müller am Schlagzeug (die gestreifte Hose war in Wirklichkeit schwarz/gelb. Die automatische Nachcolorierung der ursprünglichen s/w Fotos kommt hin und wieder an ihre Grenzen 🙂

Kai Müller: Die Leute waren irgendwie froh, einfach dabei zu sein. Daraus wurde ein richtiger kleiner Fanclub. Ich glaube aber, wenn die Zuhörer sich in die Proben aktiv eingemischt hätten, wäre das nicht lange gut gegangen. In dieser Phase haben wir ja noch so in Richtung New Wave und – heute würde man sagen: Post Punk – gespielt. Also frisch und einfach. Kompliziert wurde es erst später … (lacht)

Kai Reininghaus: Ich glaube, Robert wollte so schnell wie möglich live spielen. Wir hatten uns in musikalischer Hinsicht zu dem Zeitpunkt noch nicht so richtig gefunden. Also, wo sollte es hingehen, sollen es deutsche Texte sein, oder englische … usw. Ein öffentlicher Auftritt war in dieser Phase eigentlich zu früh. Aber klar, irgendwie waren wir dann alle heiß …
Gläser, Reininghaus und Heyner: Reininghaus live im Kirchkeller Michaeliskirche (Leipzig, 1987)

„Reininghaus“ 1987 im Kirchkeller der Michaeliskirche (Leipzig): Gläser, Reininghaus und ganz rechts Frank Heyner (Gitarre).

Kai Müller: Ein Freund von mir hat unsere Sachen vom Proberaum zur Kirche gefahren, mein Schlagzeug und die Gitarrenverstärker. Zum Glück hatte die Kirche eine kleine PA mit Mixer usw. Wir hätten uns sonst was ausleihen müssen, was nicht einfach gewesen wäre und auch Geld gekostet hätte. Und Gage gab es keine. Wir hatten ja auch noch keine Einstufung …

Kai Reininghaus: Die hätten wir in der Kirche eh‘ nicht gebraucht (lacht). Aber zum Thema „Einstufung“ erzählen wir ein anderes Mal mehr. Ich war jedenfalls überrascht, wir geräumig der Ort war … es hieß ja „Keller“. Die Bühne allerdings war winzig. So’ne Nische. Das sieht man gut auf den Fotos.
Reininghaus 1987 live in Leipzig (Kirchenkeller Michaeliskirche)Kai Müller: Ja, und dicht über uns Rohre, an denen Eimer hingen, die eventuelles Tropfwasser auffangen sollten. Das war lustig … Ich war ganz hinten mit meinen Drums und hab eigentlich fast nichts vom Publikum mitbekommen.

Ein Blick ins Publikum beim Reininghaus-Konzert 1987 in der Michaeliskirche: Ganz rechts am Rand kann man u.a. drei Mitglieder einer anderen Leipziger Band erkennen – Neu Rot.

Kai Reininghaus: Und der Laden war ja voll, was mich auch erstaunt hatte. Also, klar, unser „Fanclub“, andere Musiker (zum Beispiel Jörg Stein und Henrik Eiler von NEUROT … siehe Fotos), aber auch jede Menge unbekannte Gesichter. Unser Set war nicht sehr lang, so 35-40 Minuten vielleicht. Alles, was wir eben in der kurzen Zeit an Songs hatten. Manche noch gar nicht fertig, was dann eher in Richtung Session lief. „Boys don’t cry“ von The Cure haben wir gecovert … Aber das war die Ausnahme, wir wollten von Anfang an nur eigene Sachen machen.

Reininghaus Live (1987 Michaeliskirch, Leipzig) mit Robert Gläser und Kai ReininghausKai Müller: Die Leute forderten Zugaben, wollten noch etwas länger ihren Spaß, also haben wir einfach das Set wiederholt … Für’s erste Mal lief es super, ich hab jedenfalls keine negativen Erinnerungen.

Kai Reininghaus: Ich auch nicht. Ich glaube, wir haben da noch Wein reingeschmuggelt – da gab’s nämlich keinen Alkohol. Aber so lange feiern konnten wir gar nicht. Der ganze Kram musste ja wieder zusammengepackt und zurück zum Proberaum gebracht werden. So waren die Zeiten …

PS: Die Fotos sind im Original alle schwarz/weiß und hier teilweise nachcoloriert.